Christoph Müller

Digitalisierung

Die hier zusammengetragenen Gedanken entstanden durch Kurse an der PHBern und deren Dozenten (Kurt Reber phbern.ch/kurt-reber, Werner Hartmann infosense.ch/hartmann, Nando Stöcklin nandostoecklin.ch), durch Gespräche mit in diesen Themen bewanderten Personen (z.B. Tom Rittmann), durch Austausch mit Arbeitskollegen und Freunden und durch eigene Recherchen und Lektüren.

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Ich finde es eindrücklich, wie ein Medium (z.B. gedrucktes Buch) eine ganze Kultur über mehrere Jahrhunderte prägt. Und offenbar stehen wir heute auf der Schwelle zu einer neuen Zeit mit einem neuen Medium:

Wirtschaftsform

Jäger und Sammler

vorherrschendes Medium

Sprache

Bildungssystem

Wissen mündlich weitergeben, erfahren

Viehzucht und Ackerbau

Buchstaben, Schrift

Handwerk erlernen, evtl. Wissensvermittlung in Kloster

Industrialisierung

Buchdruck

Schulen, neu auch Allgemeinbildung, Ziel: Wissen einprägen

21. Jahrhundert

digitale Plattformen, Vernetzung

Welche Bildung benötigt die Gesellschaft mit dem neuen vorherrschenden Medium? Wie können die Vorteile genutzt werden?

Die vergangenen drei Jahrhunderte (Industrialisierung bis Ende 20. Jh.) herrschte eine Disziplinargesellschaft. Die Bürger durchwanderten im Laufe ihres Lebens eine Disziplinaranstalt nach der anderen, von der Schule zur Armee und weiter zur Fabrik. Überall wurde klar vorgeschrieben, wie man sich zu verhalten hat und welche Ziele zu verfolgend sind.
==> Bisher war also
nicht Kreativität gefragt, sondern Leistung (Vergleich mit dem Zeugnis meiner eigenen Schulzeit: Es enthält "Fleiss", "Ordnung", "Betragen", aber kein "Kreativität" oder "lösungsorientiertes Handeln" o.ä.).


Wir stehen vermutlich an der Schwelle zu einer neuen Zeitspanne, wie zur Zeit, als der Buchdruck erfunden wurde.

Interessantes Beispiel:

  • Die Enyklopädie Brockhaus gab es zwischen 1796 und 1999 in gedruckter Form als mehrbändiges Nachschlagewerk.
  • 2002 gab es den Brockhaus zwar auch in digitaler Form auf CD und DVD (Preis: ca. 1'000 €), doch…:
  • "Die für den 15. April 2008 angekündigte Lancierung des kostenlosen Onlineportals wurde dann aber auf unbestimmte Zeit verschoben und später ganz abgesagt." (Quelle: Wikipedia)
  • Wikipedia wurde zur ernsthaften Konkurrenz für den eigentlich weitgehend bekannten Brockhaus und hat ihn wohl verdrängt. Mögliche Gründe: Wikipedia nutzt die digitalen Möglichkeiten inkl. der Möglichkeit, dass mehrere Menschen gleichzeitig und aktuell Wissen zur Verfügung stellen können.

Welche technischen Erfindungen erlebten die Menschen in den letzten rund 100 Jahren? Je nach Geburtsjahr traten nur einzelne Erfindungen (für Geboren um 1900) oder eben viele Erfindungen (für Geborene 1973) in ihren Alltag:

==> Wie dicht gedrängt muss die Linie unserer Schüler (geboren nach 2000) aussehen!


Die Digitalisierung betrifft natürlich nicht nur die Schule. Es betrifft alle und ist für alle eine Herausforderung. Routine-Tätigkeiten fallen je länger je mehr weg. Beispielsweise:

Routine-Tätigkeiten können zwar von Maschinen übernommen werden (in nachstehender Grafik gestrichelte Linien), dafür sind kreative Tätigkeiten mehr und mehr gefragt (ausgezogene Linien).


Entwicklung der Beschäftigungsanteile nach Tätigkeitsprofilen (in der Schweiz):


Laut einer Studie zweier Oxford-Forscher (Osborne & Frey, "The Future of Employment") sind die folgenden Berufe durch neue Technologie bedroht resp. in den nächsten 20 Jahren ersetzbar:

"Lehrpersonen Volksschule": < 1%


==> Die Schule muss also nicht nur fördern, was automatisiert werden kann, sondern vermehrt den Fokus legen auf 

Grundfertigkeiten (ausgewähltes abrufbares Wissen, Zahlenverständnis, Handwerk, …) scheinen mir weiterhin wichtig zu sein, um z.B: eine Webseite auf Glaubwürdigkeit einschätzen zu können, z.B. um effizient suchen zu können, z.B. um Grössenordnungen einschätzen zu können, z.B um Schnürsenkel binden zu können …


Vielleicht wäre die Idee zu einer Kompetenz «Vergessen» ebenfalls angebracht: Man soll einschätzen können, was man sich nicht einzuprägen braucht, weil man es jederzeit nachschlagen kann. Und: 5 Jahre nach der Ausbildung/Schule ist nur noch ein Bruchteil des Wissens verhanden. Nur wo Emotionen dabei sind, bleibt etwas hängen. (W. Hartmann)


Digitalisierung auf Abwegen:

Gesundheits-App in China als digitale Fußfessel (Quelle: ARD «Weltspiegel», 17.7.2022)

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Digitalisierung auf Abwegen:

Yuval Harari, Historiker und Buchautor, mit einer Zukunftsprognose am Weltwirtschaftsforum (WEF) und der Frage, was wir mit all den unnützen Menschen tun sollen. (Quelle: Youtube)


Digitalisierung auf Abwegen:

nochmals vom WEF 2022 (vgl. oben): "Ich denke, wenn die Menschen in ein paar Jahrzehnten zurückblicken, werden sie sich an die Covid-Krise erinnern, dass dies der Moment war, in dem alles digital wurde."; Yuval Harari (Quelle: Youtube)


Auch das ist mit der Digitalisierung möglich: Dokumentation (von ARTE, 19.4.2020) zum Sozialkreditsystem in China

Der ganze Film dauert 1½ Stunden; nachfolgend z.B. 5 Minuten schauen ab Laufzeit 50'00":

Zum Glück gibt's das in Europa nicht? --> Artikel der «FAZ» vom 21.4.2022:

Bologna testet Punktesystem für soziales Wohlverhalten


Die EU hat beschlossen, eine Art "digitalen Pass" einzuführen, in 2023 werden die ersten Dienste eingeführt. Anträge (z.B. Vergabe eines Bankkredits, z.B. Speicherung von ärztlichen Rezepten, z.B. Nutzung von öffentlichen Diensten) sollen damit zentral verwaltet werden.

Quelle: offizielle Seite europa.eu oder hier eines Anbieters


Werbefilm zu einem solchen möglichen "digitalen Pass" in der EU (hier mit deutschen Untertiteln, gekürzt):


 <---  gedrucktes Buch digitalisieren

           (Quelle: Instagram)


Künstliche Intelligenz imitiert die Stimme in Filmen/Videos; künstliche Intelligenz in der Kunst:


Vielleicht lässt sich die Digitalisierung auf 1 wichtigen Faktor reduzieren:

Alles geht schneller.

  • Das Übermitteln von Informationen an Mitmenschen. (z.B. Mail, SMS, Standort mitteilen, …)
  • Das Finden von Informationen. (z.B. Websuche, Webshop)
  • Das Hin–und-her-Senden und Ausfüllen von Dokumenten. (z.B. kollaboratives Arbeiten)
  • Das Erstellen von Medien (z.B. Film, Buch, Ton, …) und Materialien. (z.B. Industrieroboter)
  • Das Ordnen, Finden, Vergleichen und Speichern von Angaben. (z.B. Lehreroffice, Gesichtserkennung, Wörtersuche, …)
  • Das Berechnen von komplexen Vorgängen. (z.B. Wetterbericht, 3D-Modelle, Routenberechnung, ChatGPT, …)
  • Das Überprüfen von Angaben. (z.B. interaktive Seiten)

Der grosse Vorteil:

  • Wir können in kürzerer Zeit mehr erledigen und erreichen dadurch mehr (quantiativ und qualitativ).

Die grossen Nachteile:

  • Wir gewöhnen uns an diese Geschwindigkeit, sind praktisch davon abhängig.
  • Es wird bei dieser Geschwindigkeit und grossen Datenmengen äusserst schwierig, den Überblick zu behalten, welche Informationen wie verarbeitet und von wem festgehalten werden.

<---  Katzenmusik: Wenn der Computer ein Bild in Musiknoten verwandelt

 (Quelle: Instagram)


Früher war klar: Was in Büchern steht, ist überarbeitet und stimmt!

    Aber dann konnte plötzlich jeder Bücher drucken (lassen).

Jedoch Fotos bleiben Fotos, was fotografiert wird, stimmt!

    Aber dann konnte plötzlich jeder Bilder nachbearbeiten.

Jedoch Gesichter oder Filmaufnahmen sind komplex, Medien mit Gesichtern oder Filmaufnahmen stimmen!

  Aber dann …:

Gesichter kann jede/r (mit einer Gratis-App) in Sekundenschnelle problemlos verändern.

Welches der drei neben stehenden Fotos ist unbearbeitet?


(Quelle: Faceapp)

Oder gleich so.


(Quelle: Wombo.ai)


Wenn obiges eine Gratis-App kann, was ist dann erst mit grösseren Rechenleistungen möglich? Beispielsweise das hier:

Quelle: Youtube


Eine andere App (NBA) kann das Bild einer Person in einem Live-Spiel so überlagern, so dass es so aussieht, als wäre man einer der Spieler:

Quelle: theverge.com 5


«Für eine Fälschung braucht es kein Photoshop»

Interessante Beispiele, die aufzeigen, wie wir mit Bildern beeinflusst werden:

Der ehem. US-Aussenminister Powell wollte mit (echten, unverfälschten) Fotos belegen, dass Sadam Hussein fahrbare Labore für biologische und chemische Waffen habe. Eine (inhaltliche) Manipulation, wie wir heute wissen.

Das Foto der Lastwagenkollone in Bergamo ist authentisch. In Wahrheit jedoch wurde das Militär nicht wegen Bergen von Leichen eingesetzt. Die Anzahl Verstorbener war damals nicht höher als bei manchen Grippewellen in Italien (Stand 2020). Aus Angst vor Corona wurden jedoch Tote nicht mehr – wie in Italien eher üblich – beerdigt, sondern kremiert. Dies konnte das Krematorium in Bergamo nicht bewältigen und umliegende Krematorien mussten mithelfen.

Das Bild wirkte jedoch wunderbar um die Fantasie anzuregen und Angst zu schüren.

Quellen: www.br.de und  infosperber.ch

"Einem Bild darf man nicht trauen, Bilder tendieren dazu, zu lügen. Wenn mir der «Stern» den Auftrag gibt, zu zeigen, wie verbaut und überzivilisiert die Alpen sind, mache ich die Aufnahmen in der gleichen Bergwelt, in der ich für Schweiz Tourismus die unberührte schöne Natur fotografiere. Es ist der Ausschnitt, das Weglassen, was den Unterschied macht." (Bergfotograf Robert Bösch)

Quelle: nzz.ch


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